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© 2005 Thomas Bertow

Der Mißbrauch

Die "falsche" Politik

Oft werden die Erzeugnisse Sibiriens zu Niedrigpreisen ausgeführt. Die Konsumgüter aus den europäischen Landesteilen darüber hinaus sogar noch mit Preisaufschlag in Sibirien verkauft. Bis zur Auflösung der Sowjetunion brachte Sibirien teilweise die Hälfte aller sowjetischen Exporterlöse. Durch jahrzehntelange Plan- und Mißwirtschaft verlor die Sowjetunion die Fähigkeit die Industrie zu modernisieren und ihre Bodenschätze kostengünstig auszubeuten. Dies führte dann auch zur Energiekrise zum Anfang der 80iger Jahre. Michail Gorbatschow verkündete daraufhin die Perestroika als Weg aus der Krise. Ausländische Firmen wie etwa Amoco, Mitsubishi oder auch Hyundai schlossen Vorverträge mit sowjetischen Staatskonzernen. Letztendlich allerdings ohne zählbaren Erfolg. Die Risiken für westliche Unternehmen sind einfach zu groß. Die Staatsbürokratie ist zu schwerfällig und entscheidungsunwillig. Oft ist die Arbeitsproduktivität in den Betriebe zu niedrig. Darüber hinaus steht es um die Vertragstreue und die Zahlungsmoral sehr schlecht. In den letzten Tagen brach dann unausweichlich das Güterverteilungssystem zusammen. Die Tauschwirtschaft zwischen Republiken, Bezirken, Städten, Dörfern und Betrieben blühte auf. Holz wurde gegen Getreide getauscht, Schuhe gegen Traktoren, Zucker gegen Zement. Die Armurregion beispielsweise lieferte einem Butter- und Speisefettkombinat in Chabarowsk Sojabohne und erhielt dafür im Gegenzug Unterstützung beim Ausbau ihrer Textilindustrie.

Die Umweltzerstörung

Viele gigantische sibirische Industrieprojekte wurden von der Sowjetmacht ohne Rücksicht auf die Umwelt durchgezogen. Am Beispiel des Kusnezker Beckens erkennt man die Folgen der Anreicherungen des Wassers und der Luft mit Schwefeldioxid und anderen giftigen industriellen Rückständen. In diesem Gebiet kommt es zu einer auffällig hohen Zahl von Lungenkrebserkrankungen, Atemwegsentzündungen, Augenkrankheiten und anderen Störungen. Auch die Emissionen der Aluminiumhütte in der Nähe des Staudamms und die Papierfabrik in Bratsk sorgen für eine hochgradige Luftverschmutzung. Dies nimmt so enorme Ausmaße an, daß die Autos am hellichten Tag mit Licht fahren müssen. An anderer Stelle verschmutzt auslaufendes Erdöl zahlreiche Flüsse und Bäche. Schwermetalle und andere industrielle Rückstände, Pestitzide und auch Siedlungsabwässer verseuchen das Wasser des Ob bis zur Mündung. Die Ursachen für die Verschmutzungen liegen unter anderem an alter eingesetzter Technik. In Magnitogorsk, der Stadt des Stahls, stoßen die Verhüttungsanlagen, welche mit Ausrüstungen aus den Nachkriegsjahren ausgestattet sind, 865000 Tonnen Abgase jährlich aus. Mehr als die Hälfte aller ansässigen Leute leidet an chronischen Atemwegserkrankungen. Die Überflutung ganzer Flußbecken bei der Errichtung der Staudämme, der Bau der BAM, die Erdöl- und Ergasförderung und auch die Gold- und Silbergewinnung bringen erhebliche Folgen für den Lebensraum und seine Bewohner mit sich. Den Samojeden1 auf der Jamal-Halbinsel nahm man die Hälfte ihrer Rentier-Weidegründe weg. Die Bohrungen nach Erdöl und Erdgas werden mit so einem rücksichtslosem Tempo durchgeführt, daß das ökologische Gleichgewicht auf der Jamal-Halbinsel, dem „Eisberg mit dem grünen Pelz“, bedroht ist, zerstört zu werden. Sibirien hatte auch stark unter dem Kalten Krieg zu leiden. Nowaja Semlja und Semiplatatinsk wurden in den 50iger Jahren als Erprobungsstätten für sowjetische Atomwaffen genutzt. Das Industrierevier von Kyschtym, 80 km nordwestlich von Tscheljabinsk, war die Geburtsstätte für die sowjetischen Atomwaffen. Die erste Plutoniumfabrik wurde dort im Eiltempo unter dem Einsatz von Zwangsarbeitern hochgezogen. Dabei wurden diese schädlichen Strahlungswerten ausgesetzt. Zahlreiche Pannen und Nachlässigkeiten führten zu Kernschmelzunfällen, zum Bersten des Reaktorkerns und zur fahrlässigen Ablagerungen giftiger und strahlender Abfälle in umliegenden Flüssen und Seen. Heute existieren insgesamt 9 militärische Reaktoren und zahlreiche zivile Atomkraftwerke. Das einzige Monument des Kalten Krieges, welches demontiert wurde, ist der sagenumwobene Radarkomplex bei Krasnojarsk. Zum Glück gibt es aber wenigsten einige Naturschutzgebiete, welche dem menschlichen Eingriff entzogen wurden (keine Besucher erlaubt!). Von Sibiriens Städten aber ist Norilsk, die Nickelstadt, die Stadt, welche wohl am meisten zur Umweltverschmutzung bzw. -zerstörung beiträgt. Es ist die schmutzigste Stadt Rußlands. Die Metallhütten blasen rund 2,4 Millionen Tonnen Schwefeldioxid pro Jahr in die Luft (1993). Das entspricht etwa 22 Kilogramm pro Einwohner und Tage. Die Abgase kann man selbst noch in Alaska oder auch Norwegen messen. Besser sieht es auch nicht im Gebiet um Nischnewatowsk (stadt im Ölfördergebiet Tjumen) aus. Überall ist es schwarz vom Öl. Die kilometerlangen Pipelines wurden hastig verlegt und kaum isoliert. Viele hätten schon längst ausgewechselt werden müssen, weil sie rosten und brechen. So sickert ständig Öl in die Sümpfe, nach Schätzungen soll es sich dabei täglich um etwa 160 Millionen Liter handeln. Dies entspricht der gleichen Menge eines Tankerunglücks alle 6 Sekunden mit dem Ausmaß der Exxon Valdez, die einen Teil der Küste Alaska verseuchte! Auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit der Menschen stieg die ehemalige UdSSR zu Supermacht auf. Heute gibt es zahlreiche ökologische Katastrophengebiete von enormen Ausmaß. Die Lebenserwartung der z. T. verarmten Menschen sinkt und die Kinder sind zum großen Teil chronisch erkrankt. Die Liste der sich negativ auswirkenden Eingriffe in die Natur läßt sich beinahe ohne sichtbares Ende fortführen. Für Rußland ist es einfacher die Teile von Atom-U-Booten im Meer zu versenken oder das radioaktive Kühlwasser von Spezialschiffen in die Barentsee zu pumpen. 17000 Fässer mit radioaktiven Abfällen verrotten in der Karasee. Das Nordpolarmeer wird mit zahlreichen Erdölprodukten und Schwermetallen aus dem industriell erschlossenen Hinterland verschmutzt. Wo das Geld fehlt, versucht man zu sparen wo man kann. Da bleibt kein Geld übrig für den Umweltschutz. Für Rußland wäre es zu teuer die ganzen industriellen und radioaktiven Abfälle fachgerecht zu entsorgen. An die Folgen will und möchte keiner denken.

Die Urbevölkerung

1924 wurde ein Hilfskomitee für die Völker des Nordens gegründet um die materielle Lebensbedingungen derer zu verbessern. Erfolge waren dann auch bald zu verzeichnen. Es gab allerdings keine Schulbücher in allen Eingeborenensprachen. So wurde 1936 das kyrillische Alphabet als verbindlich erklärt. Man sollte sich auf das Russische konzentrieren. Die Muttersprache sollte vernachlässigt werden. Die Regierung dachte, daß es leicht sei, die Eingeborenen an die modernen kommunistischen Formen des Wirtschaftens zu gewöhnen. Doch sie lag falsch. Burjaten und Samojeden (als Nomaden lebend) wie auch viele andere Minderheiten galten bald als „Träger einer falschen Ideologie“. Erst mit dem Aufruf Stalins zum „Großen Vaterländischen Krieg“ (siehe auch Zweiter Weltkrieg), kann man davon reden, die Urbevölkerung sei einigermaßen eingegliedert.